Brennpunkt Kinderbildung: Der 3-Punkte-Plan für mehr Elementarpädagog:innen

„Ungerechte Fraueneinkommen, zu wenige Fachkräfte, NEET-Jugendliche ohne Perspektive – eine ganze Reihe der großen Herausforderungen in Oberösterreich erfordern bessere Kinderbildung im Land. Dafür braucht es zuallererst zusätzliche gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter*innen. Ich lege daher heute einen genauso realistischen wie notwendigen 3-Punkte-Plan vor, der für rasche und wirksame Hilfe sorgen kann. Die Kernelemente umfassen dabei gerechtere Bezahlung, die schrittweise Verkleinerung der Gruppen und attraktivere Arbeitsbedingungen“, präsentiert SPÖ-Landesparteivorsitzender Michael Lindner.

Löhne für Elementarpädagog*innen auf NÖ-Niveau anheben

In Oberösterreich existieren derzeit 4 verschiedene Gehaltsschemata für Elementarpädagog*innen. Diese reichen vom Beamtenschema alt über 2 „Alt-Schemata“ für Vertragsbedienstete bis hin zum „neuen Dienstrecht KBP“, das seit 2014 gilt. Dieses hat ein etwas höheres Einstiegsgehalt, umfasst weniger Zulagen und ist im Vergleich zu den Vorgängern „flacher“ in der Alters-Gehaltsdynamik. Laut Bildungsdirektion Oberösterreich variiert das Bruttogehalt in der ersten Gehaltsstufe je nach Dienstrecht selbst unter Einbeziehung von Dienstzulage und Leistungszulage von 2.085,20 Euro bis 2.510,80 Euro um mehr als 400 Euro brutto.

Oberösterreich – Lohnmodell KBP neu und 3 „alte“ Varianten:

EinstufungGehaltDienstzulageLeistungszulageGesamtBeamtIn2.037,1017,5159,92.214,50VB (l 2b 1)2.103,5018,4167,92.289,80VB (l 3)1.904,4061,3119,52.085,20KBP2.510,802.510,80Daten: Bildungsdirektion OÖ   

Die besondere Aufgabe der Leitung einer Kinderbildungseinrichtung ist im Alltag bereits fordernd. Seit der Corona-Pandemie ist der organisatorische Aufwand regelrecht exponentiell angestiegen. Diese intensiven Zusatzanforderungen werden mit Leitungszulagen abgegolten, die je nach Größe der Kinderbildungseinrichtung (und Dienstrecht) variieren.

Oberösterreich – Unterschiedliche Gehaltsschemata mit Leitungs-Zulagen

EinstufungGesamtinkl. Leitungsfunktion
(bei 1 Gruppe)
inkl. Leitungsfunktion
(bei 4 Gruppen)
BeamtIn2.214,502.351,202.487,30VB (l 2b 1)2.289,802.433,402.576,10VB (l 3)2.085,202.150,202.284,40KBP2.510,802.654,502.834,20

Im benachbarten Niederösterreich ist die Bezahlung der Elementarpädagog*innen anders als in Oberösterreich geregelt. Diese sind Landesbedienstete beim Land Niederösterreich entsprechend dem dortigen Landesschema. Das bedeutet in der Praxis auch im Vergleich zum oberösterreichischen „neuen Schema KBP“ eine deutliche attraktivere Gehaltssituation.

Niederösterreich – Lohnmodell:

EinstufungGehaltPädagogIn2.928,40LeiterIn
(bei 1 Gruppe)3.125,50LeiterIN
(bei 4 Gruppen)3.577,40

Gehaltsvergleich Oberösterreich (Schema KBP) und Niederösterreich

EinstufungOberösterreichNiederösterreichUnterschied (Gehaltsnachteil gegenüber Niederösterreich)Pädagogin2.510,802.928,40417,6Leiterin (1-gruppig)2.654,503.125,50471,0Leiterin (4-gruppig)2.834,203.577,40743,2

In den anderen Dienstrechten (Beamten) sowie den beiden VB-Dienstrechten ist der Unterschied in der Gehaltsstufe 1 noch einmal deutlich höher und beträgt zum Teil mehr als 1.000 Euro brutto pro Monat. Der eklatante Gehaltsunterschied zwischen Elementarpädagog*innen in Oberösterreich und Niederösterreich wird aber auch beim Vergleich der jeweiligen „neuen Dienstrechte“ mehr als sichtbar. Auf Vergleiche mit den – für viele Pädagog*innen noch gültigen – alten Dienstrechten verzichten wir daher hier.

Kleinere Gruppen in den Kinderbildungseinrichtungen

Kinder in Kindergartengruppen in Oberösterreich (Datenbasis Statistik Austria)

JAHRKINDERGRUPPENKINDER PRO GRUPPE2009/1036.2662.16616,742010/1135.5212.17516,332011/1235.4132.17616,272012/1336.3182.17116,732013/1436.5022.18916,682014/1537.2462.22216,762015/1638.7642.24517,272016/1739.4642.28317,292017/1840.3782.32217,392018/1941.1062.34817,512019/2042.7582.39917,822020/2143.5332.42717,942009-2021+ 7.267+ 261+ 1,20 Kinder pro Gruppe

Auf Basis der Daten in der Kindertagesheimstatistik der Statistik Austria ist deutlich erkennbar, dass die Gruppengröße in den OÖ-Kindergärten jährlich steigt. Größere Gruppen bedeuten allerdings nicht automatisch mehr Personal. Vielmehr ist die Realität in Oberösterreich so, dass aus Personalmangel gar nicht mehr jede Kindergartengruppe von einer/einem Pädagogin/Pädagogen geführt werden kann. Oft müssen Helfer*innen einspringen. Dieses Problem ist beim Land Oberösterreich bereits langfristig bekannt. Seit dem Jahr 2016 besteht ein Stelzer-Erlass der Bildungsdirektion (er war zuständiger Landesrat bzw. LH-Stv.), wonach die Träger beim Land gar nicht mehr fragen müssen, wenn sie Nicht-Pädagog*innen als Leiter*innen einsetzen.

Ob der Personalmangel eine mögliche Rechtfertigung für die zu großen Gruppen ist? Keinesfalls, macht Lindner deutlich. Erstens ist das Problem des Personalmangels seit vielen Jahren bekannt und wird von der verantwortlichen Referentin ohne besonders politisches Engagement zur Kenntnis genommen. Andererseits ist er den schlechten Rahmenbedingungen geschuldet. „Engagierte Elementarpädagog*innen wollen mit den Kindern auch optimal arbeiten und das geht nur in überschaubaren Gruppengrößen. Indem Haberlander die Gruppengrößen mit der Einführung der Nachmittagsgebühr auf 25 Kinder vergrößert hat, hat sie viele engagierte Kräfte frustriert und dazu veranlasst sich beruflich anderweitig zu orientieren“, weiß Lindner aus Gesprächen mit Pädagog*innen. Auch die im Verhältnis zur erforderlichen Ausbildung unterdurchschnittlichen Löhne spielen eine Rolle.

Anders als beim Fachkräftemangel in anderen Berufssparten, verfügt Oberösterreich über eine große Zahl an ausgebildeten Elementarpädagog*innen. Jährlich schließen hunderte SchülerInnen die BAFEP (Bundesanstalt für Elementarpädagogik) ab. Es startet jedoch nur ein Bruchteil der Absolvent*innen auch tatsächlich eine berufliche Karriere als Elementarpädagog*in.

Die in der Tabelle angeführten Gruppengrößen entstammen der am Anfang des Kindergartenjahres (Oktober) durchgeführten Erhebung. Tatsächlich steigen die Gruppengrößen unterjährig aber noch weiter an, weil viele Kinder nicht mit Herbst in ihr erstes Kindergartenjahr starten, sondern mit ihrem 3. oder 4. Geburtstag. Diese Plätze müssen im Herbst vorgehalten werden, damit sie verfügbar sind, sobald die angemeldeten Kinder sie brauchen. „Die Gruppengröße liegt in der ganz klaren Hauptverantwortung von Landeshauptmannstellvertreterin Christine Haberlander. Je härter ihre Abteilung gegenüber den Gemeinden bei der Gruppenförderung agiert, desto weniger Zeit bleibt den Pädagog*innen für die Bildungsarbeit mit den Kindern. Warum das so ist, ist schnell erklärt – mehr Kinder ohne zusätzliches Personal bedeuten höheren Zeitaufwand beim Anziehen, bei der Hygiene, bei der Jause und fehlen deshalb bei der Pädagogik und der individuellen Förderung. Das ist schade – vor allem für die Kinder“, informiert Lindner.

Pauschalermächtigung für Gruppengröße 25 streichen

Mit falschen Prioritätensetzungen haben Stelzer und Haberlander Ende 2017 eine negative Kettenreaktion bei der OÖ-Kinderbildung in Gang gesetzt. Im Schlepptau des viel diskutierten Schulgelds für den Nachmittagsbesuch haben die ÖVP-Spitzen im Kinderbildungsgesetz auch die Regelung zur Überschreitung der Gruppengrößen geändert. Seitdem müssen die Kindergartenträger Überschreitungen bis 25 Kinder nicht einmal mehr beim Land melden, nur wenn die Gruppen 26 oder noch mehr Kinder umfassen sollen, muss gefragt werden. „Gleichzeitig mit der Einführung des Schulgelds im Kindergarten, haben sie die Qualität verschlechtert. Dadurch haben sie viele Pädagog*innen frustriert und so die besagte negative Kettenreaktion in Gang gesetzt. Die Folgen sind weniger Nachmittagskinder, sinkende Öffnungszeiten, unzufriedene Familien und vor allem Pädagog*innen“, so Lindner. Die Kürzung der Gruppenförderung des Landes hat den Druck auf die Gemeinden dermaßen erhöht, dass sich die Arbeitsbedingungen für die Pädagog*innen weiter verschlechtert haben. Zu den Randzeiten gibt es keine Planbarkeit der Arbeitszeit mehr, notwendige organisatorische Arbeiten kollidieren aus Zeitmangel mit der pädagogischen Arbeit.

Stelzer-Einschnitte von 2017/18 wirken noch immer negativ

Der im Jahr 2017/18 falsch eingeschlagene Weg muss schrittweise geändert werden. Als erste Maßnahme gilt es die Qualität in den Gruppen zu verbessern und jedenfalls die „Pauschalüberschreitungen“ rückgängig zu machen. „Auch das Schulgeld im Kindergarten und die Kürzungen der Gemeindeförderungen sind falsch und müssen rückgängig gemacht werden. An erster Stelle steht aber die Qualität in der Elementarbildung, weil das auch der Schlüssel dafür ist, mehr motivierte Mitarbeiter*innen für den Beruf zu gewinnen“, ist Lindner überzeugt.

Arbeitsbedingungen müssen Bildungsarbeit ermöglichen

Kindergärten sind Bildungseinrichtungen und müssen daher für Kinder wie auch Pädagog*innen Rahmenbedingungen bieten, die gute pädagogische Arbeit ermöglichen. Das ist derzeit aus mehreren Gründen nicht ausreichend gegeben. Einerseits ist das starre Arbeitszeitkorsett für Pädagog*innen aus  Kinderdienststunden, Anwesenheitsstunden und Vorbereitungsstunden nicht flexibel genug für die dynamischen Herausforderungen des Alltags. Das führt etwa dazu, dass die Dienstzeit für PädagogInnen nur eingeschränkt planbar ist – sobald das letzte Kind abgeholt wird, endet im Regelfall auch der Dienst. Für organisatorische Nachbereitung oder intensivere Vorbereitungsarbeiten ist kein Spielraum vorgesehen. Die knappe Vorbereitungszeit von nur 3,5 Stunden zu Hause ist in der Praxis ebenso fordernd, weil in den Kinderbildungseinrichtung selbst kaum Bürokapazitäten und wenn, dann maximal für die Leitung, vorgesehen sind. „Das Problem der Lehrer*innen, dass sie in den Schulen keine geeigneten Arbeitsräume vorfinden, haben die Elementarpädagog*innen in gesteigertem Ausmaß“, bringt es Kinderfreunde Landesgeschäftsführerin und SPÖ-Sozialsprecherin Doris Margreiter auf den Punkt.

Um den Beruf für moderne, motivierte Mitarbeiter*innen attraktiv zu gestalten, müssen diesen auch Möglichkeiten zur Entfaltung gegeben werden. „Mit den Kindern jausnen, ihnen beim Umziehen zu helfen und dafür sorgen, dass sich niemand verletzt ist sicher wichtig. Wirklich motivierend ist aber die Bildungsarbeit, das gemeinsame Erlebnis, zu sehen, wie die Kinder vorwärts kommen. Dafür müssen wir Rahmenbedingungen schaffen. Das ist am Ende des Tages wichtiger als für die Landesförderung die Zahl der anwesenden Kinder an den Randzeiten zu zählen“, so Margreiter.

Gemeinsam mit den großen Trägerorganisationen und den Belegschaftsvertretungen müssen daher die Arbeitsbedingungen für Pädagog*innen von der Kinderbildungsreferentin nachgebessert werden.

„In der Schule und im Kindergarten hängt nahezu alles vom Personal ab. Ein guter Lehrer, eine gute Lehrerin kann Berge versetzen. Dasselbe gilt jedoch auch umgekehrt. Deshalb ist es die Pflicht der verantwortlichen Politiker*innen für motivierende Rahmenbedingungen zu sorgen. Davon profitieren Kinder und Gesellschaft gleichermaßen“, ist Margreiter überzeugt. 

SPÖ fordert Recht auf Kinderbetreuung ab dem vollendeten 1. Lebensjahr

„Mittelfristig brauchen wir das Recht auf Kinderbetreuung ab dem vollendeten 1. Lebensjahr. Das wissen auch die Sozialpartner im Land, das fordern die Familien und die Sozialdemokratie ist bereit den Weg des gesellschaftlichen Fortschritts mitzugehen. Auch die konservativen Kräfte können diese gesellschaftliche Entwicklung nicht dauerhaft aufhalten, sie können nur verzögern und Oberösterreich dadurch schwächen. Ich appelliere daher zur Einsicht und Umkehr – insbesondere an die frühere Familienpartei ÖVP“, so Kinderfreunde-Landesgeschäftsführerin Doris Margreiter.

Um Oberösterreich im wichtigen Zukunftsbereich der Elementarbildung voran zu bringen, tritt die SPÖ daher für ein Recht auf Kinderbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr ein. „Es muss Schluss sein mit der Bittstellermentalität, mit der Familien konfrontiert sind. Es ist inakzeptabel, dass Kindergärten viel länger geschlossen sind, als Eltern Urlaub aufbringen können. Kinderbildungseinrichtungen sind keine Notlösung, wenn Eltern keine Zeit haben, sondern Partner der Familien. Sie sorgen für optimale Entwicklung der Kinder – gemeinsam mit den Eltern und schaffen eine qualitative soziale Lernstruktur. Um dieses Potential zu heben, braucht es ein Recht auf Kinderbetreuung – für alle, die das freiwillig in Anspruch nehmen wollen“, sind sich Lindner und Margreiter einig.

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